Alkohol. Die Gefährdung der Gesundheit, welche der Alkoholverbrauch
nach sich zieht, ist schon aus physiologischen Gründen in den Tropen erheblich größer, als in Ländern gemäßigten
Klimas. Gegenüber dem A.verbrauch der weißen Bevölkerung sind jedoch
andere
als die bei uns üblichen staatlichen Maßregeln der Verwaltung - wenigstens in den deutschen
Schutzgebieten
- nicht eingeführt. Man muß sich hier auf die wachsende Einsicht und
Selbstbeherrschung
der Weißen verlassen, soweit nicht die Beschränkung der Schankstätten
und die Verteuerung durch Zölle und Lizenzabgaben schon einschränkend
auf den Verbrauch einwirken. Die Bekämpfung des A.verbrauchs erscheint
als eine besondere kolonialpolitische Aufgabe im Interesse der
Eingeborenen,
wegen der körperlichen, moralischen und wirtschaftlichen Schädigungen,
die er bei Völkern niederer Kulturstufe hervorruft. Und zwar stellen
sich
diese Schädigungen vor allem ein durch den von den Europäern erst zu
Handelszwecken
eingeführten Branntwein. Wohl kennen fast alle Völker berauschende
Getränke,
die sie selber herstellen, wie Palmwein, Mais- oder Hirsebier. Aber diese Getränke werden nur
zeitweise
hergestellt und getrunken und führen nicht durch dauernden, regelmäßigen
Gebrauch zu eigentlichem Alkoholismus, sind auch meist harmloser als der
eingeführte Branntwein. Sobald die Bestrebungen zu pfleglicher
Behandlung
der Eingeborenen entstanden, wendeten sie sich naturgemäß auch gegen die
Branntweineinfuhr. Deren Bekämpfung ist verhältnismäßig einfach, wo bei
den Eingeborenen der Branntweinverbrauch noch nicht bekannt oder nicht
üblich ist oder aus religiösen Gründen abgelehnt wird, wie bei der
mohammedanischen
Bevölkerung. Hier handelt es sich darum, die Entstehung des
Branntweintrunkes
zu verhindern. Schwieriger ist die Verhinderung der Einfuhr, wo
herkömmlicherweise
Branntwein einen regelmäßigen Handelsartikel bildete, wie im tropischen
Westafrika. Hier steht die Gewöhnung an den Verbrauch einschneidenden
Maßregeln im Wege, ebenso wie das fiskalische und das Interesse der
Branntweinproduzenten
und die Furcht, daß der Handel dadurch
gestört werde. War man doch vielfach für Westafrika der Meinung, daß der
Neger nur durch Branntwein zur Arbeit und zur
Lieferung
von Produkten veranlaßt werden könnte. Trotzdem hat sich die Überzeugung
von der Notwendigkeit, der Bekämpfung des Branntweins durch die
gemeinschaftliche
Arbeit der Mission, der
Kolonialverwaltungen
und einsichtiger Kaufleute immer mehr durchgesetzt, und die Erfahrung
hat gezeigt, daß die Beschränkung nicht hemmend, sondern fördernd auf
die Handelsentwicklung einwirkt, daß aber auch die Notwendigkeit hemmend
vorzugehen immer größer wird, je mehr das Innere der Kolonie dem Verkehr, namentlich auch durch Eisenbahnen, erschlossen wird, da sonst die
Gewöhnung
an Branntwein immer weiter um sich greift. Energischen Maßregeln in
einer
einzelnen Kolonie stand aber stets im Wege, daß die Hemmung,
insbesondere
Zollerhöhungen an einem Punkte nur zu Verschiebungen der Einfuhrstellen
führt und nur die Einfuhr und die Zolleinnahmen in den Nachbargebieten
steigert. So drängte sich die Notwendigkeit internationaler Maßregeln
auf, sobald man ernsthaft an die Zivilisierung und Erschließung
Innerafrikas
ging. Demgemäß war schon auf der Kongokonferenz
(s.d.) 1884 der Wunsch formuliert, daß eine Vereinigung der Mächte gegen
den Mißbrauch geistiger Getränke zustande kommen möchte, welche die
Humanität
mit den Interessen des legitimen Handels vereinige. Daran anschließend
beschäftigte sich 1889/90 die Brüsseler Antisklavereikonferenz (s.d.) mit
solchen Maßregeln, vor allem auf Betreiben der englischen Regierung,
welche
allerdings für das Konventionsgebiet zwischen dem 20° nördlicher und dem
22° südlicher Breite noch nicht den geforderten Mindestzoll von 50 Fr.
für den Hektoliter Branntwein (von
50°), aber für die nächsten drei Jahre 15, für die nächsten drei Jahre
25 Fr. festsetzte. Ebenso wurde die Verpflichtung aufgestellt, daß
Gegenden,
in denen der Branntweinverbrauch noch nicht üblich sei, für die, Einfuhr
gesperrt und auf inländische Branntweinbrennerei eine dem Einfuhrzoll
gleiche Akzise gelegt werden sollte. Auf dieser Grundlage arbeiteten die
Konferenzen von 1899 und 1906 weiter; die anfangs 1912 in Brüssel
zusammengetretene
Konferenz ist aber zunächst ergebnislos vertagt, infolge des
Widerstandes
der französischen Regierung, die schon bisher hemmend gewirkt hatte. Die
Konvention von 1899 setzte den Minimalzoll auf 70 Fr., für Togo und
Dahomé
auf 60 Fr. herauf und schrieb für stärkere als 50prozentige Spirituosen
verhältnismäßige Erhöhung vor, erlaubte für schwächere Ermäßigung. Die
Konvention vom 3. Nov. 1906 erhöhte den Minimalzoll auf 100 Fr. (Eritrea
70 Fr.). In Angola, wo allein in der Konventionszone eine merkliche
Brennerei
stattfand, durften von der Minimalsteuer von 100 Fr. 30 verwendet
werden,
um die Umwandlung der Brennereien in Zuckerfabriken herbeizuführen.
(Durch
Verordnung vom 27. Mai 1911 ist dann die Brennerei in Angola ganz
verboten.)
Die Zölle sind der Konvention entsprechend überall erhöht, in englischen
und deutschen, außer Togo, über den Minimalsatz hinaus. In Kamerun
wurde er für den Liter auf 1 M, 1910 auf 1,20 M, 1912 auf 1,60 M erhöht,
mit 5 d Zuschlag für jedes Prozent Alkoholgehalt über 50%. Diese Sätze
gelten für unversetzte Spirituosen im Werte von weniger als 1 M für das
Liter. Für wertvollere Spirituosen (also wesentlich die für
Europäerverbrauch)
ist der Zoll höher (2,50 M für die Einfuhr in größeren Gefäßen als
solche
von 1l). In Deutsch-Ostafrika beträgt er 1 Rupie,
in Deutsch-Südwestafrika 4 M für 50grädigen, 6 M für stärkeren
Branntwein.
In Deutsch-Neuguinea sind es 4 M, in Samoa 2,50 M. Nur in Deutsch-
Südwestafrika
ist bis jetzt die Notwendigkeit, eine inländische Branntweinsteuer
(s.d.) einzuführen, entstanden. In Deutsch-
Ostafrika besteht auch eine Steuer auf gegorene Eingeborenengetränke
in der Höhe von 1-6 Rupien für jede zur Gewinnung von Palmwein angemeldete Palme und 1/2 Rupie jährlich
für den Zapferlaubnisschein, eine Abgabe, die auch zum Schutze der
Palmenbestände
dienen soll. In den östlichen Karolinen ist es verboten, Palmwein zu bereiten
oder feilzubieten. Der Verbrauch von A. wird ferner belastet dadurch,
daß für den Ausschank und Kleinhandel Lizenzgebühren erhoben werden, in
Deutsch- Ostafrika eine Gewerbescheingebühr von 100-2000 Rupien. In Togo
wird von dem - genehmigungspflichtigen - Ausschank halbjährlich 75 M für
jede Verkaufsstelle erhoben, für die Erlaubnis zur Einfuhr 200 M., in
Kamerun beträgt die Gebühr 400 M jährlich, in Deutsch-
Südwestafrika für den Großhandel 200 M, für Verkauf in Flaschen 800
M, für Ausschank 12 d vom Liter (V. vom 11. März 1911). Der in der
Brüsseler
Generalakte enthaltenen Verpflichtung zur Sperrung neuer Gebiete gegen
die A.einfuhr sind die beteiligten Regierungen in immer größerem Umfange
nachgekommen; nur Frankreich hat sich ihr bisher entzogen. In den
deutschen
Schutzgebieten ist in Deutsch-Ostafrika verboten der Verkauf, sowie die
Gratisabgabe von Spirituosen an
Mohammedaner
und Angehörige anderer Negerstämme, in Togo ist der Norden gesperrt, in
Kamerun ein sehr großer Teil des Schutzgebietes. Auch in den freien
Bezirken
ist der Ausschank nur in Plätzen und Ortschaften zulässig, in denen der
Vertrieb ausdrücklich gestattet ist (V. vom 30. Sept. 1910). In Deutsch-
Südwestafrika,
wo seit 1892 die Abgabe von Spirituosen an Eingeborene nur nach Beibringung eines
Erlaubnisscheins
gestattet war, besteht ein vollständiges Verbot der Abgabe von
Spirituosen
an Eingeborene, ebenso in Deutsch-
Neuguinea
und in Samoa. Ein Schutz gegen das Eindringen des A. in das
Innere kann auch herbeigeführt werden durch hohe Eisenbahnfracht für
Branntwein.
Doch ist das dadurch beschränkt, daß eine zu hohe Fracht den Transport auf die herkömmlichen
Transportmittel
zurückdrängt. Die Wirkung der bisher in den deutschen Schutzgebieten
gegen
den A.verbrauch getroffenen Maßregeln in Westafrika, wo allein sie
umfangreich
ist, war, daß die Branntweineinfuhr, die zunächst mit der Erschließung
des Landes zunahm, nunmehr abnahm, dann stabil blieb, während die
Gesamtwareneinfuhr
stieg. In Kamerun war das Maximum der Einfuhr von Branntwein 1898 mit fast 20000 hl im
Werte von 1235000 M (13% der Einfuhr); 1908/12 waren es durchschnittlich
etwa 10000 hl im Werte von 600000 M (2-3% der Einfuhr). In Togo war das Maximum 1904 mit mehr als 16000 hl im
Werte
von 1741000 M (25% der Einfuhr), im Durchschnitt der Jahre 1908/12 9670
hl im Werte von 608000 M (6% der Einfuhr). Eine Schädigung des Handels,
wie sie früher von manchen erwartet wurde, ist nicht eingetreten, Aus-
und Einfuhr sind im Gegenteil andauernd gestiegen. Nach den gemachten
Erfahrungen gehen die Wünsche der deutschen Regierung auf Fortführung
der bisherigen Politik, d. h. weitere Steigerung der Einfuhrzölle,
zunächst auf das Minimum von 150 Fr. und allmähliche Steigerung bis auf
die von der englischen Regierung schon länger erstrebten 200 Fr. Zu dem
gleichmäßigen und gleichzeitigen Vorgehen in den verschiedenen Kolonien sollte hinzukommen die Beseitigung der
von Frankreich und Portugal ihren heimischen Spirituosen gewährten
Begünstigungen.
Die Sperrgebiete des Innern sollten, um die Kontrolle zu erleichtern und den Schmuggel zu
verhindern,
möglichst zusammenhängend gruppiert und durch eine fortlaufende
Demarkationslinie
umgrenzt sein, was auch die Sperrung jetzt noch offener Gebiete
ermöglichen
würde. Die Branntweineinfuhr betrug in Deutsch-Ostafrika 1908 199000 kg,
1912 299000 kg, in Deutsch-Südwestafrika 1908 1440 hl, 1912 890 hl.
Dieser
Abnahme der Einfuhr steht gegenüber die Herstellung von Trinkbranntwein
in inländischen Brennereien (1912: 5). Über den Verbrauch der weißen
Bevölkerung
an geistigen Getränken enthalten die amtlichen Jahresberichte im
statistischen
Teil Zusammenstellungen, deren Grundlagen, Trennung des Verbrauches der
weißen und der farbigen Bevölkerung, unsicher sind und von einem Jahr
zum andern merkwürdige Schwankungen zeigen, so daß der Wert dieser
Berechnungen
zweifelhaft ist.
Literatur: Fiebich, Die Bedeutung der Alkoholfrage für unsere
Kolonien,
1908. - Alkohol und Eingeborenenpolitik. Denkschrift über
die Bekämpfung des Alkoholkonsums in den afrikanischen Kolonien. Dem d.
Reichstage vorgelegt 26. März 1908.
Rathgen. |