Amortisation. 1. Grundsätzliche Bestimmungen über die gesetzliche A. von
Schutzgebietsanleihen. 2. Durchführung der A. 3. Tilgung der garantierten
Schulden. 4. Außerordentliche Tilgung.
1. Grundsätzliche Bestimmungen über die gesetzliche A. von
Schutzgebietsanleihen.
Die in den Schutzgebieten geltenden Vorschriften über A., d.h. über die
Tilgung von Anleihen, sind
durch das G. vom 18. Mai 1908 (Ergänzung zum G. über die Einnahmen und
Ausgaben der Schutzgebiete vom 30. März
1892) festgelegt worden. Diese Bestimmungen finden auf die seit dem
Jahre
1908 aufgenommenen Schutzgebietsanleihen Anwendung. (Wegen der älteren
Anleihen s. unter 2.) Bei der A. von Anleihen besteht ein
grundsätzlicher
Unterschied zwischen der Zwangstilgung und der sog. freien Tilgung: Bei
der ersteren wird der Fiskus im voraus
- spätestens bei der Begebung der Anleihe - gesetzlich gebunden, die
Tilgung
der Anleihe nach einem bestimmten Plane zu bewirken, bei der letzteren
wird die Höhe der Amortisationsquoten erst durch den Etat des Jahres
bestimmt,
in dem der betreffende Teil der Tilgung erfolgen soll. Die erstere Form
der A., die durchweg für die heimischen Anleihen eingeführt worden ist,
ist auch die für die Kolonien geltende;
die Schutzgebietsanleihen (s.d.) müssen nach der Vorschrift des § 4 c
des G. vom 18. Mai 1908 auf Grund eines vom Reichskanzler
aufzustellenden Tilgungsplanes amortisiert werden. Da aber Fälle denkbar
sind, in denen sich die Finanzkraft der Schutzgebiete
als noch nicht genügend erstarkt zum Widerstand gegen
Konjunkturrückschläge
usw. erweist, mildert das Gesetz den Zwang zur A. und sieht vor, daß
eine
Aussetzung der Tilgung im Wege der Gesetzgebung
angeordnet werden kann, wenn die finanziellen Verhältnisse eines
Schutzgebiets
dies erfordern. Neben dieser gesetzlichen Tilgung auf Grund des
Amortisationsplans
ist für die Schutzgebiete auch eine freie oder, richtiger,
außerordentliche
Tilgung vorgesehen und auch in einigen Fällen schon erfolgt (s. unter
4). Der Umfang einer A., d.h. die Größe der jährlichen Tilgungsquoten
richtet sich entweder nach der jeweiligen Höhe der Anleiheschuld
(prozentuale
Tilgung), oder es wird eine jährlich gleichbleibende feste Summe
bestimmt,
aus welcher die Verzinsung und die Tilgung zu bestreiten ist (Fondstilgung, "Sinking Fund"). Das letztere
Verfahren führt zu einer progressiven Tilgung, weil die Verzinsung immer
weniger von der Gesamtsumme beansprucht und zur Amortisation immer mehr
übrigbleibt. Für die Schutzgebietsanleihen
ist eine progressive Tilgung auf Grund prozentualer Sätze
vorgeschrieben,
ein Verfahren, das in der Mitte zwischen den beiden genannten steht und
die Vorzüge beider, die Einfachheit und Übersichtlichkeit der reinen
Prozentualtilgung
und den progressiven Charakter der Fondstilgung miteinander vereint.
Nach
§ 4c des G. vom 18. Mai 1908 sind die Anleihen
und Darlehen der Schutzgebiete vom sechsten auf das Jahr der
Anleihebegebung
oder der Darlehensgewährung folgenden Rechnungsjahr ab jährlich mit
mindestens
3/5% der Anleihe- oder der Darlehensbeträge unter Hinzurechnung der
ersparten
Zinsen zu tilgen.
2. Durchführung der A. Eine A. von Anleihen kann durch Auslosung der
ausgegebenen Schuldverschreibungen, durch Kündigung, durch freihändigen Aufkauf
der Anleihetitel oder auch durch Absetzung des Tilgungsbetrages vom Soll
späterer Anleihen erfolgen. Für die Schutzgebiete bestehen bestimmte
Vorschriften über die Art der Durchführung der Anleihetilgung nicht. Im Text der
seit 1909 ausgegebenen Schuldverschreibungen der Schutzgebiete ist daher sowohl
der Rückkauf wie die Auslosung zum Nennbetrage vorgesehen. Welche Tilgungsart
für die Schutzgebietsanleihen gewählt wird, dürfte vor allem davon abhängen, ob
der Kursstand zur Zeit der Tilgung über oder unter dem Nennbetrage steht. Es ist
anzunehmen, daß bis auf weiteres die Tilgung von Schutzgebietsanleihen durch
freihändigen Aufkauf an der Börse erfolgen wird. Die außerordentliche A. ist
dagegen bisher sowohl durch Ankauf wie durch eine Absetzung des Tilgungsbetrages
vom Anleihesoll durchgeführt worden (s. unter 4). Da die ersten
Schutzgebietsanleihen auf Grund des G. vom 18. Mai 1908 noch im Rechnungsjahre
1908 begeben worden sind, ist die sechsjährige tilgungsfreie Zeit für die
Anleiheraten des Nachtragsetats 1908 abgelaufen: im Jahre 1914 muß der
ordentliche Tilgungsdienst von den Schutzgebieten aufgenommen werden, der nach
52 weiteren Jahren beendet sein wird. Die letztere Frist gilt indessen nicht
ohne Ausnahme, denn für einige Anleiheraten des Schutzgebietes Kamerun ist nach den Etatserläuterungen eine
frühere Beendigung der Tilgung ursprünglich vorgesehen gewesen; eine Abänderung
dieser gesonderten Behandlung steht jedoch bevor. Nach den Etats des Jahres 1914
müssen für den Tilgungsdienst ihrer Anleihen aus 1908 bereitstellen: Deutsch-Ostafrika 184100 M, Kamerun und
Togo je 24300 M. Diese Summen werden in den
nächsten Jahren sehr stark steigen, da die Amortisationsquoten für die 1909 und
in den folgenden Jahren begebenen Anleihen hinzukommen werden. Für die vor dem
Beginn der großen Bahnbauten und vor dem G. vom 18. Mai 1908 in den
Schutzgebieten eingeführte ältere Anleiheform, d. h. für die früher vom Reich an
die Schutzgebiete gewährten Darlehen ist eine gleichartige Tilgung, wie sie für
die Schutzgebietsanleihen im eigentlichen Sinne nach den im vorstehenden
dargelegten Grundsätzen erfolgt, entweder ursprünglich vorgesehen gewesen oder
nachträglich durch Gesetze eingeführt worden; G., betr. Gewährung eines Darlehns
an das Südwestafrikanische Schutzgebiet, vom 16. März 1907 und G. vom 18. Mai
1908, wegen Änderung des G., betr. die Gewährung eines Darlehns an das
Schutzgebiet Togo, vom 23. Juli 1904. Die ordentlichen Tilgungsraten für diese
beiden Darlehen belaufen sich 1914 für Deutsch-Südwestafrika
auf 261092 M, für Togo auf 54 069 M.
3. Tilgung der garantierten Schulden. Die Vorschriften des G. vom 18. Mai
1908 über die A. gelten nicht für die Anteile der Eisenbahngesellschaften, deren
Verzinsung und Tilgung vom Reich garantiert worden sind; für diese ist vielmehr
das Amortisationsverfahren in grundsätzlich anderer Weise, und zwar nach dem
unter 1 erwähnten System der Fondstilgung geregelt worden. Bei der Bahn
Daressalam-Morogoro wird das Baukapital mit einer jährlich gleichbleibenden
festen Summe (Annuität) von rund 713000 M verzinst und amortisiert (G. vom 31.
Juli 1904). Die Tilgung erfolgt vom 1. Juli 1905 an in 87 Jahren durch Auslosung
der Anteile und Rückzahlung mit 120 %. In gleicher Weise ist die A. des
Baukapitals der Bahn Duala-Manengubaberge durch G. vom 4. Mai 1906 geregelt
worden. Die Annuität beläuft sich hier auf rund 375000 M, die Tilgung erfolgt
vom Jahre 1911 an in 86 Jahren. Diese Zins- und Tilgungsbeträge, welche das
Reich auf Grund der übernommenen Bürgschaften zu zahlen hat, sind diesem seit
1911 von Deutsch-Ostafrika und seit 1913 auch von Kamerun aus
Schutzgebietsmitteln erstattet worden.
4. Außerordentliche Tilgung. Neben den Beträgen, welche die
Schutzgebiete
nach den Tilgungsplänen aus ihren eigenen Einnahmen zur gesetzlichen A.
aufwenden müssen, sind wiederholt durch die Etats auch Mittel für eine
außerplanmäßige Tilgung bereitgestellt worden. Eine solche ist
insbesondere
dann erfolgt, wenn den Schutzgebieten Einnahmen zuflossen, die ihrem
Entstehungsgrunde
nach nicht zur Deckung des Bedarfs im ordentlichen Etat herangezogen
werden
konnten. So sind die Erlöse aus den ausgelosten Anteilscheinen der
Ostafrikanischen
Eisenbahngesellschaft, die sich im Besitz des Fiskus befanden, in Höhe
des Erwerbspreises zur außerordentlichen Tilgung bis zu dem Zeitpunkt
(1914) verwendet worden, in welchem die gesetzliche A. des aus
Anleihemitteln
gedeckten Kaufpreises begann. In gleicher Weise wurde ferner mit den
Einnahmen
aus der zinsbaren Anlegung der Anleiheerlöse so lange verfahren, wie die
Bauzinsen für die Eisenbahnen aus der Anleihe bestritten wurden;
und ebenso werden jetzt noch andere Ersparnisse und Überschüsse im außerordentlichen Etat
behandelt.
S. auch Finanzen und Etats und Etatwesen.
Volkmann.
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