Bastards. Das Wort "Bastard" wird in Südwestafrika nicht in demselben Sinne
gebraucht
wie in Europa. Vielmehr versteht man hier unter dieser Bezeichnung
ausschließlich
einen Abkömmling der von Buren (s.d.) und
Hottentottenweibern (s. Hottentotten) stammenden Mischlinge. Da diese
Abstammung bereits mehrere Menschenalter zurückliegt, so ist
mittlerweile
der Name B. zu einer vollgültigen Stammesbezeichnung geworden, die heute
in demselben Sinne gebraucht wird wie etwa die Stammesnamen der
Hottentotten.
Die reinblütigen, d. h. die nicht aufs neue mit Weißen oder mit
Hottentotten
vermischten B. bilden einen körperlich hervorragenden Bestandteil der
Eingeborenenbevölkerung. Die
Männer
zeichnen sich durch ein stark an Südeuropäer, bzw. an Zigeuner
erinnerndes
Äußere, durch wohlgebildete Gesichtszüge und durch eine an das
Olivenbraun
der Süditaliener erinnernde Hautfarbe sowie durch stattlichen
Mittelwuchs
aus. Die Frauen, die in der Jugend bisweilen recht anziehende
Gesichtszüge
besitzen, neigen in höheren Jahren zum Starkwerden, tragen aber sonst
ein ebenfalls mehr nach der Seite der väterlichen als nach der der
mütterlichen
Vorfahren neigendes Äußere zur Schau. Bisweilen findet sich,
hinsichtlich
der Haarbildung sogar häufiger, eine gewisse Ähnlichkeit mit den
hottentottischen
Vorfahren. Die ursprüngliche Sprache der B. ist das Holländische. Erst
mit ihrer Einwanderung in das
nördlich
vom Oranje liegende Land haben die Kinder und jüngeren Leute auch die
Namasprache (s. Hottentottensprachen) beherrschen
gelernt,
die bezeichnenderweise noch in den neunziger Jahren von manchen
Erwachsenen
überhaupt nicht verstanden wurde. In ihrer Charakterbildung leiden die
B., obwohl von Beginn ihrer Selbständigkeit an Christen, doch an manchen
Fehlern des Hottentotten, wie Unzuverlässigkeit, Selbstüberhebung,
Neigung
zur Lüge u. dgl. Andererseits haben sie von väterlicher wie von
mütterlicher
Seite manche gute Eigenschaften geerbt. Von jener vor allem den Sinn für
wirtschaftlich lohnende Arbeit, von der hottentottischen dagegen gewisse
Fertigkeiten, wie sie dem in der Steppe
und in der Wildnis lebenden Eingeborenen von Nutzen sind. Gleichzeitig
sind sie, wie auch die Hottentotten, vorzügliche Wagentreiber. Der
Einfluß
der Weißen und speziell der Deutschen hat namentlich bei dem Hauptteil
der B., den Bewohnern des Rehobother Landes, auch eine Hebung in mancher
Richtung zur Folge gehabt, die den übrigen Eingeborenen versagt bleiben
mußte. Besonders die militärische Ausbildung der jüngeren Leute dieses
Volkes, das während des großen Witboikrieges (s. Hereroaufstand)
treu zu Deutschland stand, hat den Beweis erbracht, daß man es mit einem
in vieler Hinsicht recht bildungsfähigen Menschenmaterial zu tun hat.
Auch darf die Tatsache nicht unerwähnt bleiben, daß die Bastards die
einzigen
Eingeborenen sind, die auch in neuerer Zeit in rationeller Weise an der
Viehhaltung im Schutzgebiete sich beteiligen. Die Zahl der
B. ist nicht mit völliger Sicherheit anzugeben. Nach Schwabes Schätzung
beherbergt das Schutzgebiet etwa 4000 Seelen, von denen mehr als die
Hälfte
auf das Rehobother Land kommen mögen, während die übrigen zum größten
Teil im Osten des Bezirks Keetmanshoop
an der englischen Grenze angesiedelt sind. Die amtliche Statistik gibt
ebenfalls kein zuverlässiges Bild, da sie die sämtlichen Mischlinge zusammenrechnet, so daß es unmöglich
ist, aus den so entstehenden Angaben die Beteiligung der eigentlichen
B. an der farbigen Bevölkerung zu erkennen. Freilich dürfte eine genaue
Zählung wegen später erneut erfolgter Blutmischung auf Schwierigkeiten
stoßen. Jedenfalls bilden unter den Mischlingen, die außer in den beiden
genannten Bezirken auch in Karibib
ziemlich
zahlreich sind, die B. im engeren Sinne die überwiegende Mehrzahl. Die
Geschichte des B.volkes reicht selbstverständlich nicht sehr weit
zurück.
Die Rehobother B., die erst zuletzt in das Schutzgebiet kamen, saßen
noch
im Jahre 1865 in der Gegend von Pella im Süden des Oranjeflusses. Im
Jahre
1868, veranlaßt durch den Überfall räuberischer Horden von
Korannahottentotten
und Buschmännem auf ihre Siedelungen, wanderten sie indessen unter
Führung
ihres verdienten und allgemein geachteten Missionars Heidmann und ihres
Häuptlings Hermanus van Wyk aus und ergriffen schließlich Besitz von dem
Gebiet unmittelbar nördlich vom Wendekreise, in dem ehedem die Swartboihottentotten gesessen hatten.
Hier, in dem Rehobother Lande, sind sie auch weiterhin geblieben. Ihre
engen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu den Deutschen sind
also auch in der Lage ihrer vornehmsten Wohnsitze begründet, denn als
v. François (s.d.) von der damals herrenlosen Gegend von Windhuk
Besitz ergriff, wurden sie zu unmittelbaren Nachbarn dieses
Ausgangspunktes
der deutschen Militärmacht, und der deutschen Siedelungen. Die im Süden
ansässigen B. sind etwa ein Menschenalter früher in das Land nördlich
vom Oranje gekommen und haben im Gebiet der südlichen Hottentotten, in dem Gebiet von Rietfontein ohne engere Berührung mit den
ehemals
im Lande tätigen Weißen gesessen.
Literatur: H. Schinz, Deutsch-Südwestafrika. Berl. 1891.
- K. Schwabe, Mit Schwert und Pflug in Deutsch-
Südwestafrika.
2. Aufl., Berl. 1904.
Dove. |