Bilharziakrankheit (s. Tafel 16), Krankheit, die durch
einen
nach seinem Entdecker Bilharzia
haematobia genannten, auch als Schistosomum
haematobium bezeichneten Parasiten, der zur Klasse der Saugwürmer gehört, hervorgerufen wird. Das
Männchen
des Wurmes ist etwa 1 cm lang; das Weibchen ist beträchtlich länger,
aber
viel dünner als das Männchen und wird von dem letzteren in dessen
"Canalis
gynaecophorus" (einem Spalt, der durch Übereinanderschlagen der
verbreiterten
hinteren Körperabschnitte entsteht) dauernd mit herumgetragen. So leben
die Männchen mit ihren Weibchen vereint in den Venen der Beckenorgane.
Hier legt das Weibchen in die kleinen Blutgefäße seine mikroskopisch
kleinen
spitzschaligen Eier ab, die sich in kolossaler Menge im Gewebe ansammeln
(s. Tafel 16) und
allmählich sich nach dem Inneren der Blase und des Mastdarms
hindurchbohren; denn sie müssen aus dem Körper des Menschen
hinausgelangen,
wenn sie sich weiter entwickeln sollen. Die Eier, die mit dem Urin
entleert
werden, haben fast durchweg einen endständigen Stachel, die mit dem Kote
abgehenden dagegen meist einen seitenständigen. Manche Autoren nehmen
an, daß die Eier mit Seitenstacheln einer besonderen Art (Schistosomum
mansoni) angehören, während von anderer Seite betont wird, daß die B.
haematobia sowohl Endstacheleier wie Seitenstacheleier hervorbringen
kann.
Jedenfalls ist es auffällig, daß in manchen Gegenden Amerikas
anscheinend
so gut wie ausschließlich Darmbilharziose (also Seitenstacheleier)
angetroffen werden, während in Afrika, besonders in Ägypten, die
Blasenbilharziose
mit ihren Endstacheleiern ungemein verbreitet, und nur in einem Teil der
Fälle mit Darmbilharziose kompliziert ist; doch kommt auch in Afrika
reine
Darmbilharziose nicht selten vor. - Kommen die Eier mit dem Kot oder
Urin
in reines Wasser, so schlüpft nach einigen Minuten oder etwas später
eine
bewimperte Larve (Miracidium) aus ihnen aus, die sich wie ein
Infusionstierchen
im Wasser herumtummelt. Was aus diesen Larven wird, ist noch nicht
aufgeklärt;
am wahrscheinlichsten ist es wohl, daß sie in eine Schnecke oder ein
anderes
Wassertier eindringen und sich darin ähnlich wie die Brut der ihnen
verwandten
Leberegel (s. Leberegelseuche) weiterentwickeln, doch
vermuten
einige Untersucher, daß sich vielleicht bereits das Miracidienstadium
in den Menschen einbohren kann. Daß schließlich aber durch irgendwelche
Stadien des Wurmes die Infektion in der Weise stattfindet, daß diese
durch
die Haut des Menschen, der sich in infiziertem Wasser aufhält,
hindurchdringen,
scheint sicher zu sein. Für eine nahe verwandte Art (B. japonica) ist
letzteres jedenfalls einwandsfrei erwiesen (vgl. das Ende dieses
Artikels).
Die B. äußert sich hauptsächlich durch Beschwerden, die von seiten des
Harn- Geschlechtsapparates und des Enddarmes ausgehen. Eine leichte
Blasenbilharziose
ist in manchen Gegenden Afrikas bei Knaben so häufig, daß sie fast als
etwas Normales angesehen wird; sie äußert sich darin, daß am Ende der
Harnentleerung einige Tropfen blutigen Urins gelassen werden. Schwere
B. des Harn- Geschlechtsapparates - wie man sie freilich fast nur bei
der ackerbautreibenden Bevölkerung Ägyptens antrifft - ist dagegen eine
entsetzliche Krankheit, bei der es zu den schwersten Störungen der
Blasenfunktion
mit Harnfisteln und anderen Komplikationen kommt, und die nicht selten
tödlich endet. Darmbilharziose äußert sich durch chronische Durchfälle
mit oder ohne Blutbeimischung (s. Dysenterie) und kann ebenfalls zu sehr
ernsten Erscheinungen führen und den Tod verursachen. Zuweilen scheint
durch den Reiz der scharfspitzigen Eier, welche auch die sonstigen
krankhaften
Vorgänge bei der Bilharziose verschulden, Krebs der befallenen Organe
zu entstehen. Da wir keine Mittel besitzen, um die Wurmeier aus dem
Gewebe
zu entfernen oder sie unschädlich zu machen, müssen sich unsere
Heilbestrebungen
darauf beschränken, die Beschwerden der Erkrankten durch Medikamente und
Operationen möglichst zu lindern. Um sich vor der Krankheit zu schützen,
bade man in Bilharziagegenden nicht in natürlichen Wasseransammlungen,
die durch Menschenkot oder Urin verschmutzt sein könnten, resp. benutze
aus solchen stammendes Wasser nicht zum Baden; letzteres ist auf Expeditionen freilich schwer durchführbar,
während
man auf der Station je meist Regenwasser zur Verfügung hat. Auch vor
schlechtem
Trinkwasser wird gewarnt, jedoch dürfte dieses für die
Bilharziainfektion
kaum in Betracht kommen. - Im Gegensatz zu der eingeborenen Bevölkerung,
besonders der ackerbautreibenden, erkranken Europäer verhältnismäßig
selten
an B. und meist nur an leichteren Formen. Das Verbreitungsgebiet der
Krankheit
ist hauptsächlich Afrika; sie kommt jedoch auch dort nicht überall vor,
sondern nur in bestimmten Gegenden. In unseren afrikanischen Kolonien
ist sie mancherorts bei den Eingeborenen recht stark verbreitet, und
zwar
nicht nur Blasen-, sondern auch Darmbilharziose; nur in Südwestafrika scheint sie nicht heimisch
zu sein. Jedenfalls macht die Bilharziose den Eingeborenen oft recht
viel
zu schaffen, ohne daß wir ihnen aber zurzeit eigentlich wirksam helfen
könnten. Von rein theoretischem Standpunkte aus wäre das Baden resp. die
Verschmutzung der Badestellen durch Kot und Urin zu untersagen.
Badeverbote
haben aber, wenn man sie nicht auf ganz bestimmte Tümpel beschränken und
keinen vollwertigen Ersatz schaffen kann, natürlich auch ihre Kehrseite,
ganz abgesehen von ihrer Durchführbarkeit bei einer afrikanischen Eingeborenenbevölkerung. Von
manchen
Teichen wissen übrigens die Neger sowohl
in Ost- wie in Westafrika aus Erfahrung, daß deren Wasser (wie sie
glauben
durch Trinken) Blutharnen verursacht.
Baden in der See kann man als unschädlich betrachten; stark fließendes
Wasser dürfte weniger gefährlich als das von Tümpeln sein. - In Ostasien
kommt ein naher Verwandter des Bilharziawurmes, die Bilharzia japonica
(Schistosomum japonicum), bei Menschen und Haustieren vor. Der Wurm wird
nachweislich, wie oben bereits erwähnt, nicht durch Trinkwasser, sondern
durch Waten im Schlamme bei der Bestellung der Reisfelder erworben.
Stellenweise
spielt die durch ihn hervorgerufene "Katayamakrankheit"
bei der Landbevölkerung Japans und Chinas eine sehr bedeutende Rolle,
so daß sie im Hinblick auf unsere chinesische Interessensphäre nicht
übergangen
werden durfte. Die Katayamakrankheit verursacht niemals
Blasenbeschwerden,
sondern äußert sich hauptsächlich in Diarrhoen und zu Bauchwassersucht
führenden Leberveränderungen.
Fülleborn. |