Kolonialbeamte. 1. Rechtsverhältnisse. 2. Bezüge. 3. Auswahl und Vorbildung.
1. Rechtsverhältnisse. Von den Beamten der Kolonialverwaltung Fallen diejenigen des
Reichs-Kolonialamts unter das
RBG. (Fassung vom 18. Mai 1907, RGBl. S. 245). Sie sind Reichsbeamte, nicht K.
Unter K. versteht man die für den Dienst eines Schutzgebiets angestellten
Beamten, deren oberster Dienstherr zwar ebenfalls der Kaiser ist, aber nicht, wie bei den Reichsbeamten,
als Träger der Reichsgewalt gemäß der
Reichsverfassung, sondern als Träger der Schutzgewalt in den Kolonien gemäß § 1 SchGG. K. ist jeder Beamte, der vom Kaiser als Schutzherrn der Kolonien
angestellt ist oder gemäß den Schutzgebietsgesetzen den Anordnungen des Kaisers
Folge zu leisten verpflichtet ist (§ 1 KolBG., § 1 RBG.).
Über die Frage, wer als Beamter anzusehen ist, s. Beamte. Die K. hießen früher
Landesbeamte der Schutzgebiete, und ihre Rechtsverhältnisse
waren geregelt durch Ksl. V. von 1888 (Kamerun
und Togo), 1894 (Deutsch-Ostafrika) und,
zusammenfassend bzw. ergänzend, vom 9. Aug. 1896 und 23. Mai 1901 (RGBl. 1896 S.
691 ff, 1901 S. 189). Diese Verordnungen,
beruhend auf der Schutzgewalt des Kaisers, erklärten die Vorschriften des
Reichsbeamtengesetzes mit einigen Abweichungen auf die K. für anwendbar. Zur
Bereitstellung der erforderlichen Mittel erwies es sich indes als nötig, die
Ksl. Verordnungen durch eine Reihe von Festsetzungen zu ergänzen, welche in Denkschriften und dispositiven Anmerkungen
zum Haushaltsetat der Schutzgebiete
niedergelegt sind und insbesondere die Gehalts-, Pensions- und
Hinterbliebenenbezüge betreffen. Dieser Zustand, wonach über die Gebührnisse von
den gesetzgebenden Körperschaften, über die damit eng zusammenhängenden
sonstigen Verhältnisse vom Kaiser bestimmt wurde, war wenig befriedigend. Auch
erschien es wünschenswert, den K. einen auf Reichsgesetz beruhenden Anspruch auf
ihre Kompetenzen zu verleihen. Man beschritt daher auch auf diesem Gebiete den
Weg der Gesetzgebung.
Das KolBG. vom 8. Juni 1910 (RGBl. S. 881) bestimmt in § 1, daß "auf die
Beamten, die für den Dienst eines Schutzgebiets angestellt sind
(Kolonialbeamten)" und ihre Hinterbliebenen die Vorschriften des RBG. und des
Beamtenhinterbliebenen-G. sowie die an ihre Stelle tretenden Vorschriften
Anwendung finden, jedoch nur mit gewissen Maßgaben. Die Bestimmungen des RBG.
über die Pensionierung finden z.B. nur auf solche K. Anwendung, die aus dem
Reichsdienst oder heimischen Staatsdienst in den Kolonialdienst übernommen sind. Diese
Beamten sind nämlich nach § 29 des KolBG. verpflichtet, in den heimischen
Staatsdienst zurückzutreten, sofern sie zwar diesem, aber nicht mehr den
Unbilden des Kolonialdienstes gewachsen sind. Eine übermäßige und
ungerechtfertigte Belastung der Pensionsfonds ist hier also nicht zu erwarten.
Anders ist es bei Personen aus sonstigen Berufsklassen - man hat sie als
"Neubeamte" im Gegensatze zu den vorher genannten "Altbeamten" bezeichnet -
denen nur ausnahmsweise eine Verwendung als Beamter in der Heimat angeboten
werden kann. Festangestellte Beamte dieser Art mußten daher im Falle ihrer
Kolonialdienstunfähigkeit auch dann pensioniert werden, wenn sie ihrem früheren
oder einem anderen Beruf in der Heimat noch nachgehen konnten. Dies ließ die
Schaffung etatsmäßiger Stellen mit Pensionsionspruch bedenklich erscheinen. Für
diese Angestellten ist daher jetzt nach dem Vorgange der Versicherungsgesetze
und des Mannschaftsversorgungsgesetzes vom 31. Mai 1906 (BGBl. S. 593) neben die
Unfähigkeit für den Kolonialdienst als weitere Voraussetzung des
Pensionsanspruchs noch die Erwerbsunfähigkeit getreten, und es
wird nach deren jeweiligem Grade die Pension abgestuft (§§ 14ff KolBG.). Das
KolBG. enthält ferner Bestimmungen über die Besoldung (§§ 2 und 3) sowie über die Pflichten
und Rechte der K. (§§ 4-10). In dieser Hinsicht kommen in Betracht die
Vorschriften in § 4 über den Urlaub (s. d.) und
die Stellvertretung (V. des RK. vom 22. Dez. 1911, KolBl. 1912, 41), in § 5 über
die Tagegelder und Fuhrkosten bei Dienstreisen (s. d.), die Bestimmung in § 6,
wonach ein K. innerhalb der Schutzgebiete nur mit Erlaubnis des RK. oder d es
dazu ermächtigten Gouverneurs Grundeigentum erwerben oder sich an
Erwerbsunternehmungen beteiligen darf, ferner die Vorschriften über den Gerichtsstand. Die K. haben als Regel ihren
allgemeinen Gerichtsstand im Schutzgebiete (§ 7). Daneben ist für
vermögensrechtliche Ansprüche aus der Zeit eines Aufenthalts in der Heimat sowie
allgemein für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten der Gouverneure und der
richterlichen Beamten das Gericht des Wohnsitzes in der Heimat zuständig,
letzteres zur Vermeidung jeglichen Verdachts der Befangenheit (§ 8). - Nimmt ein
K., gegen den in einem Schutzgebiet eine Strafsache anhängig geworden ist,
seinen dauernden Aufenthalt in der Heimat oder in einem anderen Schutzgebiet, so
kann die Sache an das dortige sachlich zuständige Gericht verwiesen werden (§
9). Eine besondere Bestimmung enthält § 10: Sind in die Personalakten
Vorkommnisse eingetragen, die dem Beamten nachteilig sind, so kann eine
Entscheidung hierauf nur gegründet werden, nachdem dem Beamten Gelegenheit zur
Äußerung gegeben ist. Eine etwaige Gegenerklärung ist den Personalakten
beizufügen. §11 behandelt die Versetzung in ein anderes Amt des
Schutzgebietsdienstes oder in ein Reichsamt. K. müssen sich eine solche gefallen
lassen, falls das neue Amt mit nicht geringerem Range und pensionsfähigem Diensteinkommen verbunden ist und die
vorschriftsmäßigen Umzugskosten vergütet werden. § 12 enthält wichtige
Bestimmungen über die Dispositionsstellung (s. d.). In § 16
sind Vorschriften über die Versetzung in den Ruhestand und daran anschließend in
§§ 14-31 über die Pensions- und Wartegeldansprüche enthalten (s. Pensionen und
Invalidenversorgung). Die §§ 32-39
behandeln die Ansprüche der Hinterbliebenen (s. Witwen- und Waisenversorgung). Daran schließen sich in
§§ 40-43 die Vorschriften über Dienstvergehen und Disziplinarverfahren (s. Disziplinargewalt, Disziplinarbehörden, Disziplinarverfahren). Die §§ 44 bis
47 enthalten sonstige Vorschriften und zwar über den Begriff des Reichs- oder
heimischen Staatsdienstes (§ 44), über Zustellungen (§ 46), über die Gleichstellung
anderer Gebiete mit den Schutzgebieten hinsichtlich der klimatischen
Verhältnisse (§ 47) sowie insbesondere in § 45 über die der Beurteilung der
Gerichte entzogenen Entscheidungen über die Dienst- und Erwerbsunfähigkeit sowie
über die Frage, ob bei Entlassung eines auf Widerruf oder Kündigung angestellten
K. zutreffend der Fall grober Verletzung der Dienstpflicht angenommen ist. Über diese
Fragen entscheidet ein innerhalb der obersten Reichsbehörde gebildetes aus drei
Mitgliedern bestehendes Kollegium endgültig. Besondere Vorschriften betreffen
die richterlichen Beamten (§§ 48-51), die Schutztruppenbeamten (§§ 52-54), die
Polizeibeamten (§§ 55, 56), die Kommunalbeamten, Ehrenbeamten und Notare (§ 57). Wegen der richterlichen Beamten s. Richter. - Für die Schutztruppenbeamten bleiben die
sie betreffenden Vorschriften des Offizierpensionsgesetzes und des
Militärhinterbliebenengesetzes in Kraft (§ 52), für Schutztruppenbeamte, welche
ausschließlich unter Militärbefehlshabern stehen, ist entscheidende
Disziplinarbehörde erster Instanz die bei dem Generalkommando des Gardekorps
zusammentretende Militärdisziplinarkommission. Auf Beamte im Dienste der Kommunalverbände und anderer Verbände
des öffentlichen Rechtes in den Schutzgebieten finden die Vorschriften des
KolBG. nur insoweit Anwendung, als dies durch Ksl. Verordnung bestimmt wird (§
57). Das gleiche bestimmt § 58 für Eingeborene Beamte. Unter den
Schlußvorschriften (§§ 59-62) endlich ist die Bestimmung des § 59 hervorzuheben,
wonach die günstigeren Vorschriften des KolBG. auch auf Reichsbeamte Anwendung finden, welche, ohne in
den Kolonialdienst übernommen zu sein, in einem Schutzgebiete beschäftigt und
durch diesen Dienst dauernd unfähig zur Fortsetzung des Dienstes in der Heimat
geworden sind. Hierzu gehören die Postbeamten, zur Dienstleistung in die
Kolonien entsandte Beamte des RKA., des RMA. und die dort verwendeten Personen
des Soldatenstandes.
2. Bezüge. Nach § 2 KolBG. erhalten die K. als Diensteinkommen im
Schutzgebiet 1. ein festes Gehalt; 2. eine Kolonialzulage; 3. freie Dienstwohnung mit oder ohne Ausstattung oder
eine entsprechende Entschädigung (Wohnungsgeld). Weitere Zulagen können ihnen
nach Maßgabe des Etats gewährt werden. Im einzelnen s. wegen der Bezüge, der
Anstellung usw.: Diensteinkommen, Dienstreisen, Urlaub, Verpflegungsvorschriften, Pensionen, Invalidenversorgung, Witwen- und Waisenversorgung.
3. Auswahl und Vorbildung. Für den höheren Verwaltungsdienst der Kolonien
werden die K. der heimischen Justiz- oder allgemeinen Verwaltung, aber auch anderen Berufsarten
entnommen, so den Offizieren der Armee oder Marine, dem Forstfach, Bergfach, der
Landwirtschaft, dem Ärzte- und
Kaufmannsstande und anderen Berufsarten. Die Entnahme aus den verschiedenen
Dienstzweigen der heimischen Verwaltungen bildet die Regel. Sie bietet den
gerade für den Tropendienst wichtigen Vorteil, daß den bereits im
Beamtenverhältnis stehenden Anwärtern der Rücktritt in den heimischen Dienst
offengehalten werden kann. Grundlegend in dieser Hinsicht ist für Preußen ein
Allerh. Erl. vom 2. Febr. 1881 (MinBl. f. d. innere Verwaltung S. 46), wonach
den Beamten, welche in den Reichsdienst (wozu auch der Kolonialdienst gehört)
übertreten, der Regel nach ein Dimissoriale nicht erteilt und bei Eintritt
geeigneter Vakanzen die Wiederaufnahme in den preußischen Staatsdienst gesichert
sein soll . Ähnliches gilt für die meisten der übrigen Bundesstaaten. Preußische
Gerichtsreferendare können einen Teil des Vorbereitungsdienstes bei einem
Schutzgebietsgericht ableisten und zu diesem Behuf auf ein Jahr nebst Reisezeit
beurlaubt werden (KolBl. 1912 S. 249 f). Als etatsmäßiger Richter kann nach
ausdrücklicher Bestimmung des KolBG. (§ 49) nur angestellt werden, wer die
Fähigkeit zum Richteramt in einem Bundesstaat erlangt hat. Als mittlere Beamte
kommen ebenfalls meist solche der entsprechenden heimischen Verwaltungen
(Justiz-, Zoll-, allg. Verw.) in Betracht, als untere Beamte vielfach Unteroffiziere, die nach sechsjähriger
Tätigkeit im Polizei-, Grenz- oder Zollaufsichtsdienst der Kolonien
zivilversorgungsberechtigt sind (s. Militäranwärter), ferner jüngere
Landwirte (Inspektoren), die später aufrücken können. Wie verschiedenartig Beruf
und Tätigkeit der K. ist, ergeben die Besoldungsordnungen (s. Diensteinkommen).
Bei dieser Vielseitigkeit ist es natürlich nicht möglich, eine einheitliche
Vorbildungsschule für K. zu schaffen. Dagegen hat man Unterrichtsanstalten
begründet oder entsprechend ausgebaut, um bestimmten Klassen von K. die für
diesen Beruf notwendige Vorbildung zu ermöglichen (s. Ausbildung der
Kolonialbeamten). Ein Versuch mit der Heranbildung eines eigenen K.-Standes
wurde im Jahre 1905 für Deutsch-
Ostafrika gemacht; es wurden 10 Anwärter
angenommen, die in der Heimat eine höhere Bildung erworben und in der Kolonie selbst einen praktischen Lehrgang
durchzumachen hatten. Die Bewerber für den Kolonialdienst haben ein nach
bestimmtem Formular auszustellendes ärztliches Zeugnis über ihre
Tropendienstfähigkeit einzureichen und sich ev. einer nochmaligen Untersuchung
durch einen vom Reichs-Kolonialamt zu bestimmenden Arzt zu unterziehen.
Literatur: Entw. des KolBG. nebst Begr. bei Heymann. Berl. 1910.
- Tesch, Die Laufb. d. deutsch. K., ihre Pflichten und Rechte, mit Gen.
d. Staatss. d. RKA. unt. Ben. amtl. Quellen. 6. Aufl., 1912. - Salge,
Die Rechtsverh. d. K. Inaug..Diss., Lpz. 1910, Noske (überholt durch das
KolBG.). - Romberg, KolBG. vom 8. Juni 1910, Textausg. mit kurzen Erl.,
Ergänz.Vorschr. u. Sachreg. 1910. - Sehr kurz: Doerr, KolBG. 1910. -
Geller,
Dtsch. KolBRecht. Tübing. 1911 in d. Abh. a. d. Staats- u. Verw.-R. von
Zorn u. Stier-Somlo. - Haarhaus, D. Recht d. deutsch.
K. 1912. - Aufsätze: usw: v. König, D. Beamt. d. deutsch. Schutzgeb.,
Jahrb. d. Int. Vereinig. f. vergl. Rechtsw. u. Volksw.-Lehre. 1905, 2.
217-257. -, Köbner in Holtzendorff. Kohler, S. 1105. - v. Hoffmann,
Dtsch. KolR. 1907,
S. 52 f u. Einf. i. d. dtsch. KolR. 1911, S. 78 ff. - Sassen, Gesetzgeb.
u. Verordn.-R. i. d. d. Kol. 1909, S. 83 f u. Zeitschr. f. KolPol. um
1910. S. 486 f. - Zacke, D. Ausbild. d. K. 1912. W. Süsserott.
v. König. |