Marshallinseln. 1. Lage und Bodengestaltung. 2. Klima. 3. Pflanzenwelt. 4.
Tierwelt. 5. Eingeborenenbevölkerung. 6. Europäische Unternehmungen und
Verwaltung. 7. Entdeckungsgeschichte.
1. Lage und Bodengestaltung. Die M. liegen zwischen 161°-173° ö. L. und
4 1/2°-15° n. Br.; sie bestehen durchweg aus niedrigen Atollen
verschiedener
Gestalt und Ausdehnung und korallinen Einzelinselchen, die in 2 große
Gruppen, eine westliche (Rälik) und eine östliche (Ratak) angeordnet
sind.
Zu ersterer gehören die Atolle und Einzelinseln Ujelang, Eniwetok, Bikini,
Ailinginae, Rongelap, Rongerik, Wotho, Ujae, Lae, Kwajelin, Lib,
Namo, Jabwat, Ailinglaplap, Jaluit, Kili, Namorik und Ebon, zur letzteren Taongi, Bikar, Utirik, Taka, Mejit, Ailuk, Likiëb, Wotje,
Erikub, Maloelab, Aur, Arno, Majuro, Mile und Narik (s.d.). Meist sind die Inseln, welche die
Atollriffe
krönen, nur wenige Meter über den Hochwasserstand erhaben und besitzen
bei oft sehr ansehnlicher Länge häufig nur eine Breite von wenigen
hundert
Metern, so daß man die über das Gebiet ungeheuer zerstreute Landfläche
nur auf 400 qkm Fläche berechnen kann. Die Inseln bestehen an, der
Oberfläche
großenteils aus Bruchstücken von Korallenriffen, Muscheln u. dgl., von großen Blöcken an bis zu
feinem
Sand; wo Korallenkalk in größeren Mengen auftritt, findet man ihn auch
wohl zu ansehnlichen Dünen aufgehäuft,
die bis 12 m Höhe erreichen können. Stellenweise hat sich eine seichte
Humusdecke an der Oberfläche der Inseln angesammelt. Die im Innern der
Atolle liegende stille Lagune, die meist Tiefen bis
zu 30-50 m, zuweilen auch mehr, erreichen, bieten gewöhnlich guten
Ankergrund
und sind für kleinere, seltener auch für große Schiffe in einzelnen
Durchfahrten
erreichbar, deren Schmalheit, Gewundenheit und starke Strömungen
freilich
die Passage oft recht schwierig macht. Fließende Gewässer oder Quellen
gibt es nicht; wohl aber geben die gegrabenen Brunnen
trinkbares Wasser. Zu den M. wird von der deutschen Verwaltung übrigens
noch die gehobene deutsche Phosphatinsel Nauru
(s.d.) gerechnet, die geographisch den englischen Guilbertinseln
anzugliedern
ist.
Sapper.
2. Klima. Das Klima der M. ist ein äquatoriales Seeklima
mit sehr geringen Temperatur- und Luftdruckschwankungen und reichlichem
Niederschlag. Mehrjährige Beobachtungen liegen vor von Ujelang
und Jaluit. Es beträgt die mittlere Temperatur
des Jahres 27,4° bzw. 27,2°, des kältesten Monats Januar 26,7° bzw. Juli
27,0°, des wärmsten August 27,7° bzw. Februar 27,4°, die Schwankung ist
also nur 1,0° bzw. 0,4°. Der Luftdruck beträgt im Jahresmittel 757,5
bzw.
756,2 mm. Sehr verschieden sind die Niederschlagsverhältnisse. Während
Jaluit 4122 mm jährlichen Niederschlag besitzt, hat Ujelang nur etwa
2000
mm. In Jaluit regnet es fast jeden Tag, in 164 Monaten hatten nur zwei
(Februar 1903 und Februar 1906) unter 100 mm Niederschlag; es gehören
also auch nur einigermaßen trockene Monate zu den sehr seltenen
Ausnahmen.
Der Grund für diese Regenbegünstigung dürfte darin liegen, daß Jaluit
im Grenzgebiet beider Passatzonen liegt. Der Nordostpassat weht meist
vom Dezember bis April, in welche Zeit das Regenminimum fällt. Manchmal
bleibt der Nordostpassat jedoch aus, und an seiner Stelle herrschen
südöstliche
Winde. Vom Mai bis November wehen östliche und südöstliche Winde von
unregelmäßigem
Charakter und verschiedener Stärke. Hingegen herrscht auf Ujelang vom
Dezember bis April regelmäßiger und stetiger Nordostpassat, die Regen werden seltener, und wochenlang ist während
dieser
Zeit schönes Wetter. Niederschlagstabelle
s. Deutsch-Neuguinea.
Heidke.
3. Pflanzenwelt. Die Pflanzenwelt der niederen Koralleninseln ist eine arme und besteht
unter
Einschluß der Kulturpflanzen aus
etwa 50 Phanerogamen. Nach der See ist meist ein breiter, 3-5 m hoher
Gürtel von Scaevola Koenigii, "Kenat" vorhanden. Hinter diesem erheben
sich von höheren Bäumen die Kokospalmen, Artocarpus incisa und der in
vielen Varietäten teilweise angepflanzte Pandanus
tectorius. Die Pulpa seiner Früchte dient als Nahrungsmittel, die
Blätter
zu allerlei Flechtwerk. Von Bäumen finden sich ferner
Hernandia
peltata, Erythrina indica,
Barringtonia
speciosa, Terminalia catappa und Carica Papaya. Von Sträuchern seien genannt Triumfetta
procumbens,
Pipturus incanus, Lantana aculeata und Codiaeum variegatum. Kultiviert
werden Bananen, Taro (Colocasia
antiquorum),
Yams, Bataten, Limonen
und Ananas.
Lauterbach.
4. Tierwelt. An Landtieren sind die M. recht arm. Sicher auf diese
Inselgruppe
beschränkte Tiere sind bisher nicht, nachgewiesen. Von manchem
Kleingetier
kennt man die Verbreitung noch zu wenig. S. Palauinseln und Deutsch-Neuguinea.
Dahl.
5. Eingeborenenbevölkerung (s. Tafel 28, 29, 180). Mit der
Kultur der
M. ist es ähnlich wie in Kusaie (s.d.)
und Ponape (s.d.) bestellt; sie geht ihrer Auflösung
entgegen;
die alte materielle Kultur ist nahezu verschwunden, seit dem Tode des
letzten großen Häuptlings Kabua (gest. Juli 1910) beginnt auch die
Zersetzung
der ehemals straffen sozialen Organisation. - Anthropologisch steht die
Bevölkerung den Bewohnern der Karolinen in Ponape und Kusaie nahe. Die
Leute sind mäßig groß und von kräftigem, starkem, muskulösem Körperbau.
Die Hautfarbe schwankt zwischen hell- und dunkelbraun. Das Haar ist
lang,
weitwellig und schwarz und wird von den Männern kurz geschoren. Das
Gesicht
ist rundlich, breit, der Kopf kurz. Schlitzaugen sind nicht selten, und
ebenso kann man häufig hervortretende Backenknochen beobachten. - Der
gutmütig-liebenswürdige Charakter der Eingeborenen ist
verschwunden; er hat egoistischem, hinterlistigem, habgierigem, wenig
verträglichem Wesen Platz gemacht. - Mit der Gesundheit der M.leute ist
es recht schlecht bestellt. Zum Teil ist dies in den sozialen
Verhältnissen
begründet, die den eingeborenen Mann und seine Frau zur freien Verfügung
ihrer Häuptlinge und deren Frauen stellen und so vor
allem einer allgemeinen Verbreitung der Geschlechtskrankheiten Vorschub
leisten.
Unter diesen nimmt die Syphilis die
erste
Stelle ein; 60 % der Bevölkerung, auf Ebon nahezu 100 % der Eingeborenen
sind syphilitisch. Damit ist ein ungeheurer Rückgang der Geburtenziffer
zu verzeichnen. Erst in den letzten Jahren scheint durch die energischen
Maßnahmen des Regierungsarztes Dr. Born eine leichte Besserung
einzutreten.
Ferner fordern Frambösie, Tuberkulose und in der letzten Zeit Influenza viele Opfer. Die letztere ist im
Rückgang
begriffen. - Die M.sprache gehört dem Wortschatz und Bau nach zu den
melanesischen
Sprachen (s.d.); sie besitzt noch viele
altertümliche Formen. Ferner sind guilbertinische Elemente aufgenommen
worden. Die soziale Organisation ist ein straffe, feudale
Häuptlingsorganisation.
Dieses Feudalsystem gliedert sich folgendermaßen: 1. Jrodsch =
Großhäuptlinge.
2. Budak = Häuptlingskinder. 3. Leataketak = Dorfschulze, kleiner
Landbesitzer
und Verwalter des Landbesitzes der Jrodsch und Budak. 4. Kadschur oder
Armidsch = Besitzlose, Unfreie, Lehnsleute = das Volk. - Die Jrodsch,
unter denen bis zu seinem Tode im Jahre 1910 Kabua die erste Stelle
einnahm,
sind absolute Machthaber, deren Einfluß erst jetzt langsam eingeschränkt
wird. Grund und Boden der einzelnen Inseln ist Eigentum
der Jrodsch und Burak, die ihn durch Vererbung
oder auf Kriegszügen erwarben. Dieser Grundbesitz
ist in Lehen aufgeteilt, die von den Leataketak für die Grundbesitzer
verwaltet und von den Lehnsleuten, den Kodschur, bearbeitet werden. Die
Abgaben der Lehnsleute sind sehr hoch; die halbe
Ernte, unbedingte freie Arbeitsleistung für den Häuptling usw. stehen
den Jrodsch und Burak zur Verfügung. Da das Lehen jederzeit ohne
weiteres
gekündigt werden kann, bemüht sich der Kodschur, jedem Wunsche seines
Lehnsherrn zu willfahren. Die Ehe ist eine Kaufehe;
die der Kodschur ist streng monogam, die Jrodsch und Budak haben außer
der Hauptfrau eine Anzahl Nebenfrauen, deren Los und untergeordnete
Stellung
der ersten Frau gegenüber jedoch wenig beneidenswert ist. Die Sippen haben verschiedene Rangstellung und bauen
sich
ursprünglich auf totemistischer Grundlage auf. Für die Kadschur ist das
Totem streng verbindlich, bei den Häuptlingsklassen
wird es nicht so genau genommen. Die Kinder folgen stets dem Range und
der Sippe der Mutter, selbst wenn der Vater etwa ein Jrodsch ist und die
Mutter heiratete. Die Zügellosigkeit der männlichen und weiblichen
Mitglieder
der Häuptlingsklassen, die sich die Frauen und Mädchen oder Eheleute und
Jünglinge für ihre persönlichen Zwecke heranbefehlen, ist auf den M.
sprichwörtlich
und in den letzten Jahren der Ruin mancher Jrodsch- und Kadschurfamilie
geworden. Blutschande ist in den Jrodschfamilien nicht
selten. - Frauen verbringen die Zeit der Menstruation außerhalb des
Wohnhauses
in besonderen Hütten. Besonders
erwähnenswert
ist die Pubertätsfeier der Mädchen, die in den Häuptlingsfamilien
öffentlich
begangen wurde, während man sie in den gewöhnlichen Familien nur im
kleinen
Kreise feierte. Am Schluß derselben übt der Häuptling sein ius primae
noctis aus. - Die Leichenbestattung erfolgt im Boden. In Matten eingeschnürt, mit vielen Beigaben versehen,
wird der Tote an abgelegenen Plätzen beigesetzt. Äußerlich kennzeichnen
vielfach eingesetzte Paddeln das Grab. Geringe Tote werden auch ins Meer
versenkt. - Die religiösen Vorstellungen bestehen in einem ausgebildeten
Dämonenglauben und wurzeln in animistischen Ideen. Einige Eingeborene, die unter sich eine Art
Priesterzunft
bilden, vermitteln den Verkehr zwischen den Eingeborenen und den
Geistern,
deren Sitz auf hohen Bäumen - Calophyllum und Terminalia - gedacht wird.
Unter diesen Bäumen befinden sich auch die Opferplätze. Diese alten
Götter,
Geister und Dämonen haben trotz des 60jährigen Wirkens der Missionen
wenig
von ihrer Kraft eingebüßt. - Krankheiten werden durch besondere
Heilkundige
behandelt. Besprechungen, heilkräftige Präparate aus Pflanzen und Tieren
dienen als Medizinen; doch gewöhnt man sich jetzt mehr an den
europäischen
Arzt. Die Erzählungen der Eingeborenen sind, wie die der übrigen
Südseebewohner,
reich, mannigfaltig und reizvoll. Die Überlieferungen der Familien, die
Kriegsfahrten, Abenteuer, das Tun und Treiben der Geister, die
Naturelemente
usw. finden in den Epen, Sagen, Märchen und Geschichten eine
ausführliche
Darstellung. Dazu kommen die Totengesänge, die Gebete an die Geister, die zahlreichen Arbeitslieder
und Kampfgesänge. - Das typische Marshallhaus ist nahezu verschwunden;
es findet sich gelegentlich noch auf den nördlichen Inseln der Ralik-
Ratakgruppe.
Es ist eine allseits offene Halle, die mit einem geradfirstigen,
symmetrischen
Schrägdach aus Pandanusblättern gedeckt ist. Der Dachraum besitzt einen
Boden, der in der Mitte ein Einsteigeloch (s. Tafel 29) aufweist. Er dient
zur Aufbewahrung des Hausrats und als Schlafraum. Die Halle ist mit
Matten
belegt; bei schlechtem Wetter verhängt man die offenen Seiten mit
Matten.
- Ein zweiter alter Haustyp wird nur noch auf Majuro angetroffen. Hier
reicht das Dach bis auf den Erdboden herunter; es ist leicht gewölbt.
Im Innern zeigt es gleichfalls einen Hängeboden. Ein drittes,
hundehüttenähnliches
Haus ist transportabel. Es besitzt bequeme Lüftungseinrichtungen und
dient
in heißen Nächten zum Schlafen. Bei Bootsfahrten ersetzt es die Kabine.
- Das heutige Marshallhaus ist keinem Stil angepaßt. Es besteht aus
Kistenbrettern,
wird mit Wellblech gedeckt und ahmt das des Europäers nach. - Die
Wirtschaft
beschränkt sich auf Landbau und Fischerei, die beide von den Kadschur für die
höheren
Klassen betrieben werden. Angebaut werden in großen Gruben der Taro und
auf Feldern die stärkemehlreiche Pfeilwurzel. Gepflanzt werden Kokospalme und Pandanus; die Brotfrucht gedeiht auf den M. nicht so gut wie
auf den Zentralkarolinen. Aus
der Pandanusfrucht wird eine süße Dauerspeise bereitet, die in Rollen
gebündelt jahrelang aufbewahrt wird. Desgleichen stellt man aus der
Brotfrucht
einen lange haltbaren Teig her. - Neben Fischen, Schildkröten und Krebsen, die von den
Männern
gefangen werden, bilden Hühner, Hunde und Schweine
die Fleischnahrung. Von Vögeln wird die Taube zum Essen, der Fregattvogel zur Schmuckanfertigung gefangen.
- Als Genußmittel sind Tabak und eingekochter Palmweinsaft geschätzt. - Die
Arbeitstrennung der Geschlechter ist in derselben Weise wie in den
Zentralkarolinen
durchgeführt. - Die vorzügliche Eignung der Koralleninseln zur
Kopragewinnung
hat aus dem Marshalleingeborenen einen tüchtigen Kaufmann gemacht, der
dem Europäer gegenüber seinen Vorteil sehr zu wahren weiß. Der Verdienst
des einzelnen fließt allerdings zum großen Teil in die Taschen der
Jrodsch.
Unter sich geben sie ihre Erzeugnisse im Tauschverkehr ab. - Für den
Fremdenverkehr
hat sich eine Art Heimindustrie entwickelt, die sich mit der Herstellung
der sauber gearbeiteten, mit schönen Mustern versehenen Matten und
Fächern
aus Pandanusblättern befaßt. - Die Gerichtsbarkeit ruht in den Händen der
Jrodsch.
Sie ist ziemlich der Willkür des einzelnen Häuptlings unterworfen, der
auch das tabu über Menschen, Tier und Pflanzen verhängt. Das Benehmen
der Eingeborenen unter sich und höheren Rangklassen gegenüber ist
allerdings
durch ein strenges Zeremoniell geordnet, dessen Verletzung in einzelnen
Fällen mit dem Tode geahndet wird. - Kriegszüge werden nicht mehr
unternommen,
obwohl die alten Parteigegensätze in aller Stärke weiterbestehen. Früher
wurden Eroberungsfahrten unternommen, die bis in die Zentralkarolinen,
Marianen, Kapingamarang führten. - Sport und Spiel sind sehr geschätzt; Schwimmsport und Ballspiel
werden am meisten gepflegt. Die Tänze sind im Schwinden begriffen; man
kennt Stab-, Regen- und Sitztänze, die von Männern und Frauen gemeinsam
und auch getrennt ausgeführt werden. Melodiöse Lieder und das Rühren der
sanduhrförmigen Trommeln bildet die
Begleitmusik.
Das Tritonshorn dient allein zu Signalzwecken. - Die materielle Kultur
ist dürftig. Die alte Mattentracht (s. Tafel 28) der Frauen und der
gleiche
breite Männerschurz sind verschwunden. Man trägt heute europäische
Kleider.
Auch der Schmuck wird seltener. Nur zuweilen wird noch das Ohrläppchen
durchbohrt und der schwere Ohrschmuck aus Muscheln, Holzpflöcken,
Blättern
usw. eingehängt. Häufiger sind die Halsketten, die entweder
geschmackvoll
aus Blüten, Früchten und wohlriechenden Blättern täglich frisch
hergestellt
werden oder aus Ketten aus roten Spondylusscheiben mit Anhängern aus
Schildpatt
und beschnitzten Walzähnen als Häuptlingsabzeichen bestehen. - Die Tatauierung beruht auf religiöser Grundlage und
wird heute noch gepflegt. Beide Geschlechter werden tatauiert, doch muß
vorher die Erlaubnis des Häuptlings eingeholt werden. Die Muster sind
einfach ornamentiert. Gesichtstatauierung dürfen nur die Jrodsch tragen.
- Das Hausgerät ist dürftig. Matten decken den Fußboden, in Matten
gehüllt
schläft man. Das ursprüngliche Hausgerät an Schalen und Schüsseln ist
heute durch europäisches ersetzt, ebenso die Werkzeuge, Messer,
Feilen, Bohrer. Als einziges altes Gerät ist neben dem Mattenklopfer aus
Tridacna, den knöchernen Mattennähnadeln nur noch der Pandanusquetscher
in Gebrauch. Er besteht aus einem Dreibein, zwischen dessen
Vorderstützen
ein Cassisschneckengehäuse eingeklemmt ist, auf dem die Pandanusfrucht
zerrieben wird. Gekocht wird am offenen Feuer
in eisernen Töpfen, oder man bereitet die Speisen
im polynesischen Ofen zu. - Waffen sind heute nicht mehr in Benutzung;
früher waren Haizahnwaffen, Rochenstachelspeere, Holzspeere, Schlagringe
und Schleudern im Gebrauch. Die Fischerei weist im
Vergleich mit der auf den Karolinen
keine Besonderheiten auf. Sie benutzt dieselben Geräte und kennt die
gleichen
Methoden. - Als Fahrzeug verwendet man das Auslegerkanu (s. Tafel 180),
das hier in den M. bezüglich der See- und Segeltüchtigkeit die größte
Vollkommenheit erlangte. Der Bootkörper wird aus Brotfruchtholz
hergestellt
und durch aufgesetzte Planken beträchtlich erhöht. Der Körper ist scharf
gebaut, die Auslegerseite leicht konvex, die Seeseite fast platt. Bug
und Heck sind mit hohen Aufsätzen geschmückt. Der Mast steht außerhalb
des Bootkörpers auf der Auslegerbrücke und wird durch eine Anzahl
Haltetaue
an dem Bootskörper befestigt. Wie die Aufsätze sind auch sie mit
Fregattvogelbälgen
verziert. Fünf derartige Bälge kennzeichnen das Jrodschkanu. - Für große
Seefahrten nimmt man reichlichen Proviant mit, namentlich von der
Pandanusdauerspeise.
Auf den Auslegerbrücken werden kleine Häuschen gebaut, in denen man die
Nacht verbringt und auch auf steingefüllten Kästen das Feuer unterhält.
- Die Marshalleute gehören mit zu den besten Seefahrern der Südsee. Sie
sind vorzügliche Kenner des Himmels, der Meeresverhältnisse, der
Dünungen,
der Winde und haben ihre Kenntnisse in besonderen Karten
(aus Stäbchen und Steinen) niedergelegt (s. Schiffahrt
der Eingeborenen).
Thilenius, Hambruch.
6. Europäische Unternehmungen und Verwaltung. Die Gruppe der M. bildete
zunächst ein besonderes Schutzgebiet unter der Leitung eines Ksl.
Kommissars,
der später den Titel "Landeshauptmann" führte. Da fast der
gesamte
Handel in den Händen der Jaluit-Gesellschaft (s.d.) lag, schloß
das Reich mit dieser Gesellschaft im Jahre 1888 einen Vertrag (KolGG.
1, 603 Nr. 223), wonach die Jaluit-Gesellschaft gegen Gewährung gewisser
Privilegien, so vor allen Dingen des
ausschließlichen
Rechtes der Aneignung herrenlosen Landes, sowie der Ausübung der Perlfischerei
und der Gewinnung von Guano die gesamten Kosten der Verwaltung übernahm.
Die Leitung des Schutzgebiets selbst blieb aber im übrigen in den Händen
des Ksl. Kommissars, der allerdings bei wichtigeren Entscheidungen zuvor
die Vertretung der Jaluit-Gesellschaft zu hören hatte. Dieser Zustand
bestand bis zum Jahre 1906. Am 1. April jenes Jahres wurden sodann die
M. auf Grund einer Allerhöchsten V. vom 18. Jan. gleichen Jahres (KolBl.
1906, 117) als Ksl. Bezirksamt an die Verwaltung der Karolinen,
Palauinseln
und Marianen angegliedert und mit diesen dem Ksl. Gouverneur von Deutsch-Neuguinea unterstellt.
Von da ab bestand die Bezirksverwaltung für die M. aus einem Bezirksamtmann, einem Sekretär, einem Hafen- und Polizeimeister und
einem Regierungsarzt, die sämtlich ihren Sitz auf Jaluit (s.d.) hatten. Die bezirksrichterlichen
Geschäfte
wurden im Nebenamt von dem Bezirksamtmann wahrgenommen. Bei der
Vereinigung
der M. mit dem Inselgebiet der Karolinen usw. trat an Stelle des
Obergerichts
in Jaluit dasjenige von Herbertshöhe, jetzt Rabaul. Mit Rücksicht auf die friedliche Entwicklung
konnte mit dem 1. April 1911 eine weitere Vereinfachung der Verwaltung
erfolgen. Das Bezirksamt wurde in eine Station umgewandelt und der
Bezirk
dem Bezirksamt in Ponape angegliedert. Durch Verfügung des
Reichskanzlers
vom 17. Jan. 1911 (KolBl. S. 109) wurde mit dem gleichen Zeitpunkt das
Bezirksgericht Jaluit aufgehoben und der bisherige Gerichtsbezirk, umfassend die Marshallinseln
und Nauru (s.d.) dem Bezirksgericht Ponape zugeteilt. Die M. bilden
somit
seit diesem Zeitpunkt keinen selbständigen Verwaltungsbezirk mehr. Das
Personal auf der Station ist aber im übrigen das gleiche geblieben, nur
daß an Stelle des Bezirksamtmannes der Stationsleiter
getreten ist. Die standesamtlichen Geschäfte sowie die Eingeborenengerichtsbarkeit
werden
von dem Stationsleiter wahrgenommen. Die Missionierung der Insel erfolgt
durch die katholischen Missionare der
Gesellschaft vom Heiligsten Herzen Jesu (s.d.), die seit einigen Jahren
eine besondere Präfektur für die M. eingerichtet hat. Außerdem ist schon
seit 1857 auf den M. eine amerikanische Mission,
die methodistische sog. Boston Mission (s. American Board und Deutsch-Neuguinea, 5.
Missionen)
tätig. Regierungsschulen gibt
es in der Gruppe der Marshallinseln noch nicht, die beiden genannten Missionsgesellschaften unterhalten
jedoch auf ihren einzelnen Stationen
dem vorhandenen Bedürfnis entsprechend Knaben- und Mädchenschulen. Die weiße Bevölkerung im
Bezirk der M. betrug am 1. Jan. 1911 (seit diesem Berichtsjahre besteht
eine getrennte Statistik für die Marshallinseln nicht mehr, sie ist
vielmehr
mit der der Ostkarolinen vereinigt)
172 Personen. Nichteingeborene Südseeinsulaner waren damals 435
vorhanden.
Eine wesentliche Verschiebung in diesen Zahlen ist inzwischen nicht
eingetreten.
- Die Eingeborenenbevölkerung ist in
den letzten Jahren gleichfalls gezählt worden. Eine genaue
Zusammenstellung
hierüber findet sich in dem Amtsblatt von Deutsch-Neuguinea vom Jahre
1913, S. 270, woselbst auch die einzelnen Inseln aufgeführt sind. Danach
betrug die Eingeborenenbevölkerung zu Anfang 1913 9569 Personen,
darunter
3698 Männer, 3355 Frauen, 1347 männliche und 1169 weibliche Kinder. -
Der Handel. in den M. beruht in der Hauptsache auf dem Stapelprodukt der
Südsee, der Kopra.
Das größte Handelsunternehmen in der Inselgruppe ist die Jaluit-
Gesellschaft
(s. d.), die auf den verschiedenen Inseln Händler
angestellt hat, um von den Eingeborenen die Kopra aufzukaufen. Außer der
Jaluit- Gesellschaft betreibt auch noch die englische Firma Burns, Philp
& Co., welche alle 2 Monate von Sydney aus ein Schiff nach den M. laufen
läßt, Handel in der Gruppe. Daneben sind noch einige kleinere,
selbständige
Händler in den M. tätig. Die Statistik ist jetzt, wie hinsichtlich der
Bevölkerung, so auch des Handels mit der der Ostkarolinen vereinigt. Im
letzten Berichtsjahr, für das eine selbständige Statistik vorliegt,
nämlich
1910, wurden 3277652 kg Kopra im Werte von 786636 M ausgeführt. Außer
Kopra gelangten noch in geringem Maße Haifischflossen und Perlschalen
zur Ausfuhr. Die größte Ziffer in der Ausfuhr nimmt heute in der
Statistik
der M. das Phosphat ein, das von der den M. angegliederten
Insel Nauru (s.d.) kommt. Die Gesamtausfuhr für die M. einschließlich
Nauru betrug 1910 1296978 M. Bei der Einfuhr
nehmen wie in den übrigen Inselgruppen der Südsee Nahrungsmittel, Gewebe
und Bekleidungsstücke, Eisenwaren, Holz und Baumaterialien den breitesten Raum ein.
(Wegen
der neueren Statistik einschließlich der Ostkarolinen s. Ostkarolinen.)
An europäischen Pflanzungsunternehmungen ist vor allen Dingen, wieder
die Jaluit-Gesellschaft zu erwähnen, außer ihr haben aber auch noch auf
einzelnen Inseln einige Ansiedler Pflanzungen
angelegt. So befinden sich solche namentlich auf den Inseln Likieb, Ujelang und Eniwetok. Die Gesamtfläche
der Pflanzungen, die ausschließlich aus Kokospalmen bestehen, beläuft
sich auf rund 2500 ha. Auch die Eingeborenen haben in den letzten Jahren
angefangen, die Kopra regelmäßiger anzupflanzen. Sie beschäftigen sich
außer mit der Anlegung von Kokospalmpflanzungen noch mit Fischfang und
bringen auch, wie schon erwähnt, in geringem Umfang Haifischflossen und
Perlschalen an. Zum eigenen Bedarf Pflanzen sie die auch auf den anderen Inseln
üblichen
Knollenfrüchte. - In den M. gilt das deutsche Münz- und Währungssystem.
Banken bestehen auf der Gruppe noch
nicht.
- Den Verkehr mit der Inselgruppe und der Außenwelt vermittelt der
Reichspostdampfer
"Germania" der Jaluit-Gesellschaft. Daneben besteht eine regelmäßige
zweimonatliche
Verbindung durch die Dampfer der Firma Burns, Philp & Co. in Sydney. Für
den Auslandsverkehr geöffnet sind die Häfen von Jaluit und Nauru. Den
Verkehr in der Gruppe selbst vermitteln verschiedene Motor- und
Segelschoner
der daselbst handeltreibenden Gesellschaften und Ansiedler.
Postanstalten
befinden sich auf Jaluit und Nauru. An das Welttelegraphennetz sind die
M. unmittelbar noch nicht angeschlossen. Vor kurzem ist indessen auf
Nauru
eine Großstation für Drahtlose
Telegraphie errichtet worden, die mit der gleichen Anlage auf Jap in den Westkarolinen in Verbindung steht (s. Funkentelegraphie).
Krauß.
7. Entdeckungsgeschichte. Bereits 1526 sichtete Garcia de Loaysa die
nördlichste der M. 1528 Alvaro de Saavedra
die südlichen Atolle, während Mendana 1567 die Inselgruppe durchsegelte.
1767 kam Wallis nach Bikar und Utirik
(Ratakreihe), 1788 erforschten Marshall
und Guilbert die Inselgruppe (Ratakreihe) genauer, die
O. v. Kotzebue 1816/17 und 1824 wieder
besuchte. Einzelne Inseln wurden auch von Bond 1792, Mortlock 1793,
Dermott
1797, Bishop 1798 und den englischen Schiffen Ocean und Elizabeth 1804
und 1809 entdeckt, andere erst später. Duperrey
untersuchte 1823, Chromtchenko 1829 und 1832, Hagemeister 1831, Schanz 1835, die Forschungsexpedition der
Vereinigten
Staaten 1840, Cheyne 1845 einige M. Kubary, Steinbach, Faber, H. Schnee, C. Jeschke, A.
Krämer u. a. trugen später zu besserer Kenntnis der M. bei, besonders
aber auch die Schiffe der deutschen Marine. 1885 wurden die Inseln unter
deutsches Protektorat gestellt.
Sapper.
Literatur: Zu 1/7: O. v. Kotzebue, Entdeckungsreise in die Südsee
und nach der Beringsstr. Weimar 1821 u. Neue Reise um die Welt. Weimar
1830. - F. Hager, Die Marshallinseln, Leipzig 1886. - F. Hernsheim. Die
M. Mitt. Geogr. Gesellsch. Hamburg 1886/87. E. Steinbach, Die
Marshallinseln
u. ihre Bewohner, Verh. G. Erdk. B. 1895, S. 449 bis 488. - A. Krämer,
Hawai, Ostmikronesien und Samoa. Stuttg. 1906. - Deutsche Seekarten 77
u. 113. - Zu 2: S. Deutsch-Neuguinea. Zu 3: A. Engler, Notizen über d.
Flora d. Marschallinseln in Notizblatt bot. Garten, Berl. 1896. - Zu 4:
P. Schnee, Die Landfauna der Marshallinseln in Zool. Jahrbücher Sylt.
Bd. 20, 1904, 387 ff. - Zu 5: Erdland, Die Stellung der Frauen in den
Häuptlingsfamilien. Anthropos 1909. - Ergebnisse der Hamburgischen
Südsee-Expedition,
1914 ff. |