Zivilverwaltung. Die gesamte Kolonialverwaltung untersteht, wie sich
aus dem Schutzgebietsgesetz
ergibt, nächst dem Kaiser dem Reichskanzler
(s.d.). Hinsichtlich der Behördenorganisation besteht im übrigen ein
wesentlicher
Unterschied zwischen Kiautschou und den anderen Kolonien. Während Kiautschou durch Allerh. Order
vom 27. Jan. 1898 dem Reichs-
Marineamt
(s.d.) unterstellt wurde, bearbeitet die Angelegenheiten der übrigen
Kolonien
das auf Grund Ksl. Erlasses vom 17. Mai 1907 begründete Reichs-Kolonialamt (s.d.). Von sonstigen
Behörden und Anstalten in der Heimat sind zu nennen der Disziplinarhof
und die Disziplinarkammer (s. Disziplinarbehörden) für die Schutzgebiete, die Botanische und die
Geologische
Zentralstelle (s.d. und KolBl. 1912 650) für die Kolonien, das Seminar für orientalische
Sprachen und das Hamburgische Kolonialinstitut, das Institut
für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg (vgl. die betreffenden
Stichworte). In ständiger Verbindung steht das Reichs-Kolonialamt ferner
mit folgenden im Interesse der Kolonien begründeten Anstalten: der
Deutschen
Kolonialgesellschaft, dem
Kolonialwirtschaftlichen
Komitee, der Deutschen Landwirtschafts-
Gesellschaft
(Kolonialabteilung), dem Kolonialen
Fachausschuß
der Berliner Handelskammer, den Missionen beider Konfessionen durch
deren
berufene Vertreter, dem Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die
Kolonien, den Kolonialschulen
(s. die betreffenden Stichworte). Was die Behörden und Einrichtungen in
den Kolonien betrifft, so steht an der Spitze einer jeden unserer
Kolonien
gegenwärtig ein Gouverneur, nachdem
die früher für kleinere Kolonien eingeführten Titel eines
Reichskommissars
oder Landeshauptmanns fortgefallen sind. Den Gouverneuren stehen
Verwaltungs-
und technische Beamte zur Seite. Der nach
dem Gouverneur erste Beamte führt in den größeren Kolonien den Titel
"Erster
Referent". Er vertritt in der Regel den Gouverneur bei Abwesenheit oder
Behinderung. Wegen der Referenten
s.d.
- Die Z. zerfällt in die Zentralverwaltung und die Lokalverwaltung,
daneben
tritt in den Gebieten mit Schutztruppen (Deutsch-Ostafrika, Kamerun,
Deutsch-Südwestafrika;
s. Schutztruppen) noch die Militärverwaltung; dort steht nach der
Schutztruppenordnung dem Gouverneur die oberste militärische Gewalt,
d.h.
die Stellvertretung des Kaisers in Ausübung der Militärhoheit zu; er
kann
die Schutztruppe nach eigenem Ermessen zu militärischen Unternehmungen
verwenden; er regelt das Verhältnis der obersten Verwaltungschefs zu den
in ihren Bezirken befindlichen Teilen der Schutztruppe mit der Maßgabe,
daß alle militärischen Anordnungen nur von dem Führer der Schutztruppe
verantwortlich getroffen werden. Der Gouverneur ist auch berechtigt, zu
Zwecken der Z. Teile der Schutztruppen so weit zu verwenden, als
militärische
Rücksichten nicht entgegenstehen. Dem Gouverneur steht die Disziplinargewalt
eines Divisionskommandeurs zu. Hat der ihm unterstellte Kommandeur der
Schutztruppe in militärischer Hinsicht Bedenken gegen Anordnungen des
Gouverneurs, so muß er sie, falls dieser darauf beharrt, zwar ausführen,
kann aber Entscheidung des Reichskanzlers beantragen mit ev. Rekurs an
den Kaiser. Inwieweit die militärischen Befugnisse des Gouverneurs auf
dessen Stellvertreter übergehen, bestimmt im Einzelfalle der
Staatssekretär
des RKA. In Kiautschou steht nach Allerh. Best. vom 1. März 1898 an der
Spitze der Militär- und Z. ein Seeoffizier als Gouverneur, er ist
oberster
Befehlshaber der militärischen Besatzung und Vorgesetzter der im
Kiautschougebiet
angestellten Militärpersonen sowie der Beamten der Militär- und Z.; die
Stellvertretung des Gouverneurs fällt dem ältesten Befehlshaber der
militärischen
Besatzung zu. . Als lediglich beratendes Organ sind den Gouvernements
Gouvernementsräte (s.d.)
beigegeben.
In Deutsch-Südwestafrika führt der Gouvernementsrat die Bezeichnung Landesrat
(s.d.), der grundsätzlich ebenfalls eine begutachtende Versammlung ist,
beschließendes Organ nur insoweit, als ihm vom Reichskanzler
Angelegenheiten
zur Beschlußfassung überwiesen werden. Gouvernementsverordnungen über
Seuchenbekämpfung, Wege-, Wasser-, Jagdrecht,
Land- und Forstwirtschaft, Arbeltsverhältnisse der Eingeborenen bedürfen
der Zustimmung des Landesrats (Verf. d. RK. v. 26. Juni 1913). -
Eisenbahnräte
wurden gebildet für Deutsch-Südwestafrika (V. v. 28. Mai 1912) und für
Deutsch-Ostafrika (V. v. 17. Sept. 1913). Wegen des Landwirtschaftsrats
für Deutsch-Südwestafrika GouvV. v. 27. Mai 1918. Für die örtliche
Verwaltung
sind die Kolonien in Bezirke eingeteilt,
denen Bezirksamtmänner oder Bezirksleiter vorstehen. Daneben bestehen
in Deutsch-Südwestafrika Distriktsämter
unter Distriktschefs, dort sowie in den
westafrikanischen
und Südseekolonien Stationen unter Stationsleitern I., II. oder III.
Klasse.
Außerdem finden wir Residenturen in Deutsch-Ostafrika (Bukoba,
Ruanda, Urundi),
Kamerun (Garua,
Bamum, Mora, Ngaundere)
und Deutsch-Südwestafrika (Caprivizipfel). Die Residenturen nehmen die
deutschen Interessen bei den einheimischen Machthabern wahr, ohne den
Eingeborenen gegenüber eine eigentliche Verwaltungstätigkeit zu
entfalten.
Über die Ermächtigung zur Einrichtung der Verwaltung
von seiten des RK. und zur Neuschaffung usw. von Behörden seitens der
Gouverneure: Ksl. V. v. 3. Juni 1908, RGBl. S. 397 und V. des. RK. v.
16. März 1909 (Kamerun), 15. Mai 1909 (Deutsch-Neuguinea),
18. Jan. 1910 (Deutsch-Südwestafrika), 21. Febr. 1913 (Deutsch-Ostafrika), Kol. Bl. 1909 S. 361,
524; 1910 S. 117; 1913 S. 213). - Eine Übersicht über die
Zusammensetzung
der Gouvernements und ihrer Lokalverwaltungen (Residenturen, Bezirksämter, Distriktsämter, Stationen
usw.)
gibt das alljährlich erscheinende amtliche Handbuch für das Deutsche
Reich
(Berlin, C. Heymann). Vgl. ferner die dem Reichstag
unter dem 9. Febr. 1914 (Drucks. Nr. 1356) vorgelegte amtliche
Denkschrift:
Die Kolonialverwaltung der
europäischen Staaten, S. 140 ff. Dort sind auch die Geschäftsanweisungen
der einzelnen Gouvernements mitgeteilt sowie nähere Angaben enthalten
über Kommunalverwaltungen, wirtschaftliche Interessenvertretung,
Rechtspflege
und die verschiedenen sonstigen Zweige der Verwaltung. - In den größeren
Kolonien erstreckte sich die örtliche Verwaltung anfangs nur auf die
Küste
und drang erst allmählich in das Innere vor, wo sie sich zunächst meist
militärisch gestaltete (Deutsch-Ostafrika, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika),
um nach und nach in die Z. überzugehen. Wo Eingeborene
Obere nicht bereits vorhanden waren, wurden unter Umständen solche
eingesetzt,
so Akiden, Walis und Jumben in den küstennahen Gebieten
Ostafrikas.
v. König.
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